10 Okt 2024
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Autor:
red/ag
/ Wikipeida/Alexnder Migl
Im Jahr 2023 waren in Österreich rund 1,9 Millionen Wohnungen und potentiell etwa 220.000 Nicht-Wohngebäude zumindest zum Teil thermisch-energetisch sanierungsbedürftig. Konkret waren knapp 1,8 Millionen Heizungen auf regenerative Wärmesysteme umzustellen, 13,4 Millionen Fenster zu tauschen sowie 332 Millionen Quadratmeter Dachflächen (bzw. die oberste Geschoßdecke) und 355 Millionen Quadratmeter Fassaden zu dämmen. Bezogen auf den Gebäudebestand waren das 35 Prozent aller Heizungsanlagen, 31 Prozent aller Fenster, 45 Prozent aller Dächer und 49 Prozent aller Fassaden.
Investitionen von insgesamt 259 Milliarden Euro notwendig
Bekanntermaßen hat es sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, die Klimaneutralität im Gebäudesektor bis 2040 herzustellen. Um diese Mammutaufgabe zu stemmen, müssten zum einen die Sanierungsquoten deutlich erhöht werden. Bei Heizungen von jährlich 0,8 auf 2,0 Prozent des Gebäudebestands. Bei Fenstern wäre ein Anstieg von 1,4 auf 1,8 Prozent und bei Dach- und Fassadendämmungen von 0,6 bzw. 0,7 Prozent auf 2,6 bzw. 2,9 Prozent notwendig. Zum anderen müsste man viel Geld in die Hand nehmen. Aus heutiger Sicht sind dafür Investitionen im Ausmaß von insgesamt 259 Milliarden Euro notwendig. Das entspricht in etwa dem Fünffachen der jährlichen Bauproduktion.
Bild: HoHo Holzhochhaus Wien
„Doch selbst wenn man das Geld dafür aufbringen würde, ist der definierte Zielpfad nicht zu schaffen“, stellt Studienautor Andreas Kreutzer fest. Grund dafür sind die unzureichenden Personalkapazitäten im Bauhandwerk. Zwar wanderten nach Österreich seit 2014 rund 1,6 Millionen Personen aus dem Ausland zu, jedoch nur 375.000 davon (rd. 23%) konnten in den Arbeitsmarkt integriert werden. Und von diesen zog es gerade einmal 32.000 Arbeitnehmer in die Bauwirtschaft. Gleichzeitig sanken die Lehrabschlüsse in den für die thermisch-energetische Sanierung relevanten Gewerken signifikant. Haben im Jahr 2018 noch insgesamt rund 4.800 Auszubildende die Lehre erfolgreich absolviert, gab es 2023 nur noch 3.600 neue Gesellen. Ungeachtet der insgesamt schrumpfenden Lehrlingszahlen, war die mitunter hohe Quote von nicht bestandenen Lehrabschlussprüfungen mit ein Grund für den Nachwuchsmangel. Im Lehrberuf Gebäude- und Installationstechnik, Maler und Beschichtungstechniker sowie Spengler bestand im vergangenen Jahr jeder Dritte die Abschlussprüfung nicht, bei Dachdeckern, Zimmerern und Maurern war es knapp jeder Fünfte.
Heizungs- und Fenstertausch nahezu im Plan - Dach- und Fassadensanierung weichen vom Zielpfad deutlich ab
„Auch unter der Annahme, dass sich in Zukunft mehr ausländische Fachkräfte rekrutieren lassen und die Ausbildungsquoten wachsen, ist eine vollständige Dekarbonisierung des Gebäudesektors vor 2075 unter den derzeitigen Rahmenbedingungen wenig realistisch“, präzisiert Co-Autor Dominique Otto. Am wahrscheinlichsten ist die Erreichung der Zielmarke beim Fenstertausch. „Hier errechnen die Modelle eine Durchsanierung im Jahr 2042“, so Otto. Der Heizungstausch sollte demnach 2046 abgeschlossen sein, eine vollständige thermische Sanierung aller Fassadenflächen indessen erst 2061 und beim Dach dauert es bis 2075.
Möchte man den Weg zu einem klimaneutralen Gebäudebestand beschleunigen, sind nach Auffassung von BRANCHENRADAR Marktanalyse daher u.a. folgende Weichenstellungen empfehlenswert:
Ausbau der Personalkapazitäten, zum einen durch gezielte Migration von Fachkräften ins Bauhandwerk, etwa durch Schaffung spezieller Anreize. Zum anderen durch die Verbesserung der Lehrlingsausbildung, um die Attraktivität von Handwerksberufen (auch für Mädchen) zu erhöhen und die Abschlussquoten zu verbessern.
Erhöhung der Produktivität auf der Baustelle durch Verbesserung des Baustellenmanagements. Laut einer Studie der ETH Zürich wird auf den Baustellen im Schnitt nur 60 Prozent der Arbeitszeit in tatsächliche Bauleistungen umgesetzt. Der Rest geht durch personal- oder störungsbedingte Unterbrechungen, Auf- und Umräumen, Materialsuche oder Personalstehzeiten verloren.
Umfassende Sanierungen stärker fördern: Die zeitgleiche Sanierung der Gebäudehülle (Fenster, Fassade, Dach), kombiniert mit dem Austausch des Heizungssystems ist nicht nur vergleichsweise kostengünstiger als Bauteilsanierungen (Einzelmaßnahmen), sondern auch für die Zielerreichung effektiver. Um die insgesamt deutlich höheren Investitionen zu stützen, müsste allerdings der Förderbonus erhöht werden. Zudem ist der Austausch des Heizungssystems in einem mindergedämmten Haus kontraproduktiv, da in diesem Fall die Heizleistung zu hoch bemessen werden muss. Der Wechsel von mit fossilen Brennstoffen befeuerten Heizsystemen auf Biomassekessel oder Wärmepumpen sollte daher nur bei thermisch optimierter Gebäudehülle gefördert werden.