31 Okt 2024
/
Autor:
red/ag
/ Pixabay/CCO Public Domain/geralt
Ein Viertel der österreichischen Großunternehmen (24 %) gibt an, dass das Handeln im Unternehmen sehr stark von Klimaschutz und Nachhaltigkeit beeinflusst ist; dagegen stehen zwölf Prozent, die kaum einen Einfluss auf das eigene Agieren sehen. Zwei Drittel (67 %) schätzen diesen als mittelmäßig ein. Je höher der Umsatz, desto größer der Einfluss von Nachhaltigkeit: 32 Prozent der Unternehmen mit einem Umsatz von über 200 Mio. Euro sehen den Einfluss als groß, bei Unternehmen mit geringerem Umsatz ist es nicht einmal ein Fünftel (19 %). Die Automobil-, Verkehrs-, Infrastruktur- und Logistikbranche ist am stärksten zu Nachhaltigkeitsmaßnahmen bewegt (sehr starker Einfluss: Automobilbranche 26 %, Bau/Immo 24 %). In der Konsumgüterherstellung erkennen dagegen nur vier Prozent der Befragten einen starken Fußabdruck von Nachhaltigkeitsthematiken.
Während fast alle befragten Unternehmen (96 %) das Thema Nachhaltigkeit bereits in die Unternehmensstrategie zumindest teilweise integriert haben (71 Prozent vollkommen integriert; 25 Prozent zum Teil), ist sie im Geschäftsmodell erst bei einem Drittel der Befragten (33 %) vollkommen, bei 59 Prozent teilweise und bei neun Prozent nicht berücksichtigt.
Christian Plas, Partner bei EY denkstatt: „Die aktuelle Befragung zeigt, dass Nachhaltigkeit noch nicht ausreichend in den Geschäftsmodellen angekommen ist. Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie zu integrieren ist nur ein erster Schritt – nun müssen Geschäftsmodell und Produktpalette angepasst und konkrete Maßnahmen auf den Boden gebracht werden.“
Umsetzung von Maßnahmen hinkt Planung hinterher
Im Governance-Bereich sanken die umgesetzten Maßnahmen im Vergleich zu 2021 um 20 Prozent (von 62 auf aktuell 42 %). Im ökonomischen Bereich gingen sie von 82 auf 65 Prozent und im Ökologie-Bereich von 79 auf 68 Prozent zurück. „Der EU Green Deal hat viele Unternehmen vor neue Herausforderungen gestellt. Umgesetzt geglaubte Ziele mussten überdacht und neue in die Planung mit aufgenommen werden, denn internationale Regelwerke haben neue Maßstäbe gesetzt. Auch die wirtschaftliche und politische Lage erschwert so manche Implementierungen“, so Plas. Wenig Veränderung gab es bei den sozialen Maßnahmen – hier hatten vor drei Jahren 82 Prozent der Betriebe Maßnahmen umgesetzt, 2024 immer noch 80 Prozent. Plas ergänzt: „Das ist nicht verwunderlich: Soziale Aspekte sind über CSRD und Taxonomie erst in der zweiten Phase umgesetzt worden. Besonders deutlich wird das nun mit der Inkraftsetzung der CSDDD.“
Regulatorik als stärkster Nachhaltigkeits-Treiber
Die stärksten Gründe für den Einsatz nachhaltiger Initiativen sind mit 89 Prozent Gesetze und Richtlinien und mit 95 Prozent Vorgaben des Headquarters. Der Druck vom Markt (85 %), sowie von Konsument:innen oder Mitarbeitenden (82 %) wirkt sich ebenfalls auf die Handlungsentscheidungen von Unternehmen aus. Im Vergleich mit der Vorläuferstudie aus 2021 zeigt sich, dass die Befürchtung von Reputationsrisiken gestiegen ist: Die Anzahl jener Befragten, die Nachhaltigkeitsinitiativen auf jeden Fall zur Vermeidung von Reputationsrisiken einsetzten, hat sich in den letzten drei Jahren verdoppelt. Unverändert haben Forderungen von NGOs (50 %) oder Medien (42 %) am wenigsten Einfluss auf die Entscheidungen und Handlungen von Unternehmen hinsichtlich Nachhaltigkeit.
Herausforderungen: Aufwand, Datenlage, Lieferkette
Ein knappes Drittel der CSRD-berichtspflichtigen Unternehmen (31 %) ringt mit dem erhöhten Zeit- und Ressourcenaufwand, der durch die Berichtspflicht anfällt – sogar vier von zehn haben im Bereich Datenbeschaffung und -qualität Probleme. Der Weg zu korrekt aufbereiteten und validen Daten ist komplex. Mit der Durchführung einer Wesentlichkeitsanalyse wird die Grundlage zur Fokussierung auf zentrale Datenpunkte geschaffen und für einen prüffesten Datenerfassungs-Prozess mit Kontrollschleifen ist die ESG-Data-Governance erforderlich. Nachhaltigkeitsmaßnahmen in der Lieferkette sehen ebenfalls knapp 40 Prozent als herausforderndsten Bereich. Darüber hinaus gelten finanzielle Beschränkungen (33 %), die Regulatorik (27 %) sowie der Mangel an internem Know-how (21 %) als die am weitesten verbreiteten Herausforderungen.
Treibhausgasreduktion: SBTi gewinnt an Beliebtheit
Fast zwei Drittel der Unternehmen (64 %) gaben an, bereits Ziele zur Treibhausgasreduktion gesetzt zu haben und 22 Prozent planen dies in den nächsten zwei Jahren. Immer häufiger wird dabei das Rahmenwerk der Science Based Targets initiative (SBTi) angewandt, um auf Unternehmen zugeschnittene Ziele festzulegen.
Fast drei Viertel der befragten Unternehmen (73 %) erheben derzeit bereits unterschiedliche Daten zu ihrem Unternehmensfußabdruck (CCF = Corporate Carbon Footprint): 28 Prozent erheben den Fußabdruck der gesamten Wertschöpfungskette (Scope 1, 2, 3). Weitere 22 Prozent erheben den Fußabdruck der eigenen Unternehmenstätigkeit (Scope 1 + 2) und lassen somit vor- oder nachgelagerte Tätigkeiten, beispielsweise von Zulieferern, außer Acht. Fußabdrücke einzelner Produkte werden im Vergleich zu CCFs kaum erhoben (3 %). Neun Prozent der Befragten erheben keinen Fußabdruck und haben dies derzeit auch nicht vor. Weitere zwölf Prozent planen eine Erhebung in den nächsten zwei Jahren.
Dekarbonisierung: Energie-Optimierung und CO2-Zertifikatekauf
75 Prozent der Unternehmen arbeiten daran, ihre Energieeffizienz zu verbessern. 54 Prozent möchten außerdem an der eigenen Energiebereitstellung mit erneuerbarer Energie arbeiten. Mit 55 Prozent an Befürworter:innen ist auch der Zukauf von CO2-Zertifikaten aus Kompensationsprojekten für Unternehmen eine beliebte Maßnahme. Zu CO2-Zertifikaten sollte man laut Margit Kapfer, Dekarbonisierungs-Expertin und Senior Managerin bei EY denkstatt, jedoch erst als letzte Maßnahme greifen, „wenn Emissionen aktuell noch nicht reduziert werden können, weil z.B. die technischen Möglichkeiten oder die Optionen in der Lieferkette noch nicht vorhanden sind. Hier ist immer darauf zu achten, dass die Zertifikate auch tatsächliche und langfristige Emissionsreduktionen bewirken und keine nachteiligen sozialen oder ökologischen Effekte nach sich ziehen.“ Umfassendere Transformationen wie Änderungen des Produktportfolios oder des Geschäftsmodells werden nur von ca. 15 Prozent in Betracht gezogen.
Zuständigkeit immer häufiger in eigenen Abteilungen
Seit 2021 hat sich die Verantwortlichkeit tendenziell von Eigentümer:innen, Vorstand, einzelnen Nachhaltigkeitsbeauftragten oder Projektteams hin zu eigenen Abteilungen verlagert: Dies ist mittlerweile in vier von zehn Unternehmen (38 %) der Fall, während vor drei Jahren nur 27 Prozent eigene Abteilungen hatten. 2021 lag bei fast der Hälfte der Unternehmen (46 %) die Zuständigkeit beim Vorstand oder der Geschäftsführung und deren noch stärkere Involvierung war laut vielen Befragten geplant. Tatsächlich sind jene aber nur in 34 Prozent der befragten Betriebe (34 %) verantwortlich, am ehesten bei kleineren Unternehmen. Auf Platz zwei der geplanten Änderungen lag die Ansiedelung von Nachhaltigkeitsagenden in eigenen Projektteams, auch deren Verantwortlichkeit ist stattdessen stark gesunken.