15 Dez 2022
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Autor:
red/ag
/ Beatriz Hasler
WIDADO hat Wiederverwendung im Sinne echter Kreislaufwirtschaft im Kern verankert und schafft zusätzlich soziale Mehrwerte. Die sozialwirtschaftlichen und karitativen Organisationen von WIDADO machen durch das neu geschaffene Online-Angebot auf einer gemeinsamen Plattform ihre Ware nun in ganz Österreich verfügbar. Damit steht erstmals ein gemeinsamer sozialwirtschaftlicher Online-Marktplatz für Second Hand Produkte als attraktive Alternative zu herkömmlichen Marktplätzen zur Verfügung.
Bild: v.l.: Matthias Neitsch (RepaNet-Geschäftsführer), Irene Schanda (Moderation), Lilian Klebow (Schauspielerin), Elisabeth Fischer (Projekt- und Stakeholdermanagement WIDADO).
Während immer mehr Händler und Marken vor allem im Modebereich auch mit eigenen Second Hand Linien werben, geht es diesen oft in erster Linie darum, weiterhin ihr Kerngeschäft zu betreiben und meist kurzlebige und billig produzierte Neuware zu verkaufen. Re-Use-Betriebe hingegen sind auf die Vorbereitung von gebrauchten Gütern zur Wiederverwendung spezialisiert und treten somit wirksam gegen Überproduktion auf.
WIDADO ist sozial und schafft faire Arbeit für am Arbeitsmarkt benachteiligte Menschen
Die Aufbereitung von Gebrauchtwaren schafft lokale Arbeitsplätze und stärkt die regionale Wertschöpfung. Berechnungen von RepaNet zeigen, dass pro 1.000 Tonnen aufbereiteter Re-Use Ware 105 Jobs (bzw. 74 Vollzeitäquivalente) geschaffen werden.1
Diese Arbeitsplätze sind für am Arbeitsmarkt benachteiligte Menschen, etwa Langzeitarbeitslose oder Menschen mit psychischen Erkrankungen, besonders relevant. Hier kommt die Besonderheit der sozialwirtschaftlichen Betriebe zum Tragen: Sie unterstützen diese Menschen durch Transitarbeitsplätze, professionelle Begleitung und Coaching beim (Wieder-)Fußfassen am ersten Arbeitsmarkt.
Im gesamten RepaNet-Netzwerk haben 2021 1.879 Personen einen Transitarbeitsplatz gefunden. Die durchschnittliche Vermittlungsquote der Transitarbeitskräfte in den ersten Arbeitsmarkt beträgt österreichweit 35,7%.2
Arbeit für diese Personengruppen wird durch die Teilnahme bei WIDADO nun auch im Bereich E-Commerce ermöglicht und eröffnet diesen somit bessere Chancen in der digitalisierten Arbeitswelt.
Der Hauptanteil der Erlöse von WIDADO fließt in die Finanzierung der Beschäftigung und Qualifizierung von am Arbeitsmarkt benachteiligten Menschen in den sozialwirtschaftlichen Betrieben und dient somit der Umsetzung ihrer Kernaufgabe. Zudem gibt es auch Betriebe, die mit einem Teil der Erlöse soziale Projekte finanzieren.
WIDADO Entwicklung & Angebot
Mit dem Launch der Online-Verkaufsplattform WIDADO im Herbst 2022 werden über 14.000 Produkte in den Kategorien Kleidung & Schuhe, Haushalt & Möbel, Bücher & Medien, Freizeit & Sport, Technik & Elektronik, Deko & Raritäten und Specials & Design angeboten. Die 26 Mitgliedsbetriebe haben sich dem Onlinehandel geöffnet. Die Bündelung ihrer Kräfte und ihre unterschiedlichen Ausrichtungen ermöglichen ein umfangreiches, einzigartiges, ständig wechselndes und spannendes Warenspektrum/Warenangebot mit der Vielfalt von 146 Re-Use-Shops.
Folgende 26 Organisationen sind Teil von WIDADO:
Burgenland: Caritas Burgenland, IDUNA – ideenreich & nachhaltig Kärnten: Caritas Kärnten, SBK Soziale Betriebe Kärnten, Niederösterreich: Rotes Kreuz NÖ Oberösterreich: Caritas Oberösterreich, Volkshilfe Oberösterreich, Bildungszentrum Salzkammergut Salzburg: Caritas Salzburg, Halleiner Arbeitsinitiative HAI, Soziale Arbeit, rwsanderskompetent Steiermark: Caritas Steiermark, pro mente steiermark, Jugend am Werk Steiermark, WBI Leoben, SöDieB, Bicycle (Ost-)Tirol: ISSBA, SOFA – Soziale Osttiroler Frauenprojekte für Arbeitssuchende (Gwandolina) Vorarlberg: Caritas Vorarlberg, INTEGRA Vorarlberg, Kaplan Bonetti Wien: Caritas Wien, Volkshilfe Wien, Reparatur- und Service-Zentrum R.U.S.Z
WIDADO wurde von RepaNet, der Interessensvertretung österreichischer sozialwirtschaftlicher Re-Use-Betriebe, im Projekt „Sachspendendrehscheibe“ seit Juli 2021 entwickelt. Das Projekt „Sachspendendrehscheibe“ wird gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums.
Klimaschutz durch Second Hand
Die Wiederverwendung (Re-Use) von Produkten für den gleichen Zweck, für den sie hergestellt worden sind, ist ökologisch nachhaltig und sinnvoller als Neuware zu nutzen, deren Produktion oft mit zahlreichen negativen Auswirkungen auf Umwelt und Menschen einhergeht. Durch Re-Use werden Abfälle vermieden, Ressourcen eingespart und Emissionen reduziert; es entstehen keine zusätzlichen negativen Auswirkungen, wie sie durch Neuproduktionen verursacht werden. Der positive Klimaeffekt ist je nach Produkt unterschiedlich groß, wie Berechnungen von RepaNet zeigen:
Während ein T-Shirt nur etwa 200 Gramm wiegt, erzeugt es in seinem gesamten Produktlebenszyklus Treibhausgasemissionen in der Höhe von 21 Kilogramm CO2-Äquivalenten. 65% der Emissionen entstehen durch die Rohstoffproduktion, Herstellung und Transport. Die durchschnittliche Nutzungsdauer beträgt 2 Jahre. Wird also ein Re-Use-T-Shirt gekauft und dieses weitere 2 Jahre verwendet, können etwa 14 kg CO2-Äquivalente eingespart werden.
Die Einsparungspotentiale durch Re-Use sind deutlich größer, wenn es um Elektrogeräte geht. Dies hat zwei Gründe: Einerseits sind die Umweltauswirkungen über den gesamten Lebenszyklus größer und andererseits ist der Anteil von Rohstoffgewinnung und Produktion an den gesamten Umweltauswirkungen höher. Während Besitzer:innen des T-Shirts z.B. durch Waschen bei niedriger Temperatur und den Verzicht auf Wäschetrockner einen positiven Einfluss auf die Ökobilanz haben, haben Besitzer:innen eines Smartphones kaum Einsparungsmöglichkeiten. Rohstoffgewinnung und Produktion sind für ca. 85% der gesamten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Diese belaufen sich in Summe auf 60 kg CO2-Äquivalente. Durch den Kauf eines Re-Use-Smartphones etwa 50 Kilogramm CO2-Äquivalente eingespart.
In Österreich erzielte der Verkauf von Gebrauchtprodukten durch Re-Use-Betriebe 2021 eine Einsparung von 620.000 t CO2-Äquivalenten, was den durchschnittlichen jährlichen Emissionen von etwa 69.000 Österreicher:innen – das sind mehr Menschen als Villach Einwohner:innen hat – bzw. 223.000 österreichischen PKWs entspricht.
Wiederverwendung vor Recycling
Recycling ist ökologisch gesehen nur die zweite Wahl. Denn jedes Mal, wenn ein Produkt dem Recycling (stofflicher Verwertung) zugeführt wird, geht die gesamte Energie, die für die Herstellung des Produktes aufgewandt wurde, verloren.
Gleichzeitig muss Energie zugeführt werden, um am Ende des Prozesses wieder Rohstoffe zu erhalten, die dann erneut zu Produkten weiterverarbeitet werden. Um Energie möglichst effizient einzusetzen, ist es daher ökologisch sinnvoll, Produkte so lange wie möglich zu nutzen, zu reparieren und wiederzuverwenden. Außerdem ist jeder Recyclingprozess mit Material- und Qualitätsverlust verbunden, am größten ist dieser Effekt bei Kunststoffen und Materialverbunden. Der größte Verlust beim Recycling ist jedoch der funktionale Wert des Produktes, denn der reine Materialwert ist davon nur ein Bruchteil. All dies wird vermieden bzw. durch die Zeitverzögerung stark reduziert, wenn ein Produkt länger genutzt statt recycelt wird.
Österreichische Re-Use-Betriebe bearbeiten 56.000 Tonnen jährlich
Für die Verfügbarkeit von Re-Use-Waren in Österreich ist die Arbeit von professionellen Re-Use-Betrieben essenziell. Diese sind sozialwirtschaftlich, privatwirtschaftlich oder kommunal ausgerichtet. Sie sammeln Sachspenden aus privaten und gewerblichen Quellen (Kleidercontainer, Annahmestellen, Abholungen u.a.), bereiten diese für die Wiederverwendung vor (z.B. Funktionsüberprüfung bei Elektrogeräten) und bieten sie in Re-Use-Shops wieder zum Kauf an.
Von österreichischen Re-Use-Betrieben wurden 2021 nach Schätzungen von RepaNet an die 56.000 Tonnen Sachspenden und wiederverwendbare Abfälle gesammelt. Dabei handelte es sich um Kleidung, Elektro(alt)geräte, Möbel, Haushaltswaren, Spielzeug und vieles mehr.
35.000 Tonnen wiederverwendete Produkte in Österreich
Von der Gesamtsammelmenge wurden im Jahr 2021 über 35.000 t, also knapp zwei Drittel, der Wiederverwendung zugeführt. Das RepaNet-Netzwerk der sozialwirtschaftlich ausgerichteten Re-Use-Betriebe deckt 50% des österreichischen Re-Use-Sektors ab und verkaufte 2021 in 168 Re-Use-Shops Waren an über zwei Millionen Kund:innen.
Die Potentiale für Re-Use liegen jedoch noch höher. So könnten durch Optimierungen in der Sperrmüllsammlung allein im Bereich der Elektro(alt)geräte zusätzlich noch bis zu 51.000 Tonnen pro Jahr wiederverwendet werden, im Bereich der sonstigen Waren (Möbel, Spielzeug, Freizeitgeräte, …) sogar bis zu 86.000 Tonnen. Somit könnten insgesamt weitere 137.000 Tonnen Abfälle vermieden werden. Die Gesamt-Re-Use-Menge Österreichs würde sich damit auf 172.000 Tonnen erhöhen, was wiederum viele weitere Tausend Tonnen CO2 einsparen würde. Dadurch könnten in Österreich weitere 9.600 Arbeitsplätze (VZÄ) für Menschen in prekären Lebenssituationen geschaffen werden.
Kleiderspenden in Österreich
Allein im Bereich Bekleidung befinden sich etwa 72 Millionen ungetragene Kleidungsstücke in Österreichs Kästen, die durch Wiederverwendung erneut genutzt werden könnten.4
Bei 60% der gesammelten Produkte im RepaNet-Netzwerk handelt es sich um Kleidung. 75% davon wurden mittels Kleidercontainer gesammelt. Abgabestellen und Kleidercontainer des RepaNet-Netzwerkes sind auf der Website www.sachspenden.at via Standortsuche abrufbar.
Von der in Österreich gespendeten Kleidung können im Schnitt 67,3% wiederverwendet werden (im In- und Ausland).5 2021 konnten RepaNet-Mitglieder 13% der gesammelten Kleidung im Inland verkaufen, während die privatwirtschaftlichen Sammler die gesamte Sammelware üblicherweise unsortiert ins Ausland verkaufen und zum Teil für den Verkauf in Österreich wieder importieren.