Nur noch wenige Tage bis zum Jahresende – und im Rückblick lässt sich sagen: Die überwiegende Mehrheit der Österreicher hat sich in einer schwierigen Lage behauptet. Moral schlug dumpfen Ausländerhass, auch wenn die Ausgangslage alles andere als leicht war.
Denn was sich gezeigt hat, war ein komplettes Versagen sämtlicher politischen Instanzen auf allen Ebenen. Die Regierungsspitze, die vor laufender Kamera über irgendeinen unsäglich lächerlichen Blödsinn streitet, eine Innenministerin bar jeden Planes, ein Bundespräsident, der sich lieber in nobles Schweigen hüllte, statt in einer Sonntagsrede den Landsleuten endlich zu erklären, was hier wirklich vor sich geht. Dass nämlich arme, hoffnungslose Menschen in unvorstellbarer Not Schutz suchen – Schutz, den auch Österreich in internationalen Verträgen zu gewähren versprochen hat. Dass das Menschen sind, von denen keine Gefahr ausgeht, weil sie vor den religiösen Spinnern davonlaufen, die ihnen ans Leben wollen. Und dass es auch eine Chance für die Wirtschaft und den Staat als solchen ist.
Ich habe Ihnen das letzte Mal erzählt, dass meine Frau und ich eine fünfköpfige afghanische Familie mit drei Mädchen aufgenommen haben, die weder Deutsch noch Englisch gesprochen hat. Jetzt, wo die Sprachkenntnisse rapide besser werden, schimmert langsam die volle Tragweite der Tragödie dieser Menschen durch. So wurden die Mädchen gezwungen, zuzusehen, wie die Taliban zehn Menschen den Kopf abgeschnitten haben und damit Fussball spielten. Auch bei Steinigungen von Frauen mußten sie dabei sein. Der Vater wurde eingesperrt und mehrfach gefoltert, um seinen Willen zu brechen, weil er seine Familie vor all dem und Schlimmerem schützen wollte.
Nicht nur, dass ich in meinem Leben bisher wenige Kinder gesehen habe, die so sehr den Schulbesuch geniessen wie unsere drei Mädchen, sind sie schon jetzt, nach nur zwei Monaten, im Herzen überzeugte Österreicher. Sie sind vor Freude fassungslos, wenn ihnen fremde Menschen mit Zuneigung entgegenkommen, sie können nicht glauben, dass man ihnen etwas schenkt und zerfließen vor Dankbarkeit, wenn man nur mit ihnen spazieren geht. Dabei grüßen sie alle anderen Passanten freundlichst mit „Grüß Gott!“ oder „Guten Tag!“, was bei vielen ob der unerwarteten Höflichkeit ungläubiges Erstaunen auslöst. Und sie lieben dieses Land, das ihnen eine Chance gibt; Zuflucht und Hilfe bietet.
Hier möchte ich mich bei allen bedanken, die mitgeholfen haben, der Familie ein neues Heim zu bieten: Mahsa Rezazadeh für ihre unendliche Hilfsbereitschaft, auch für Tausende andere Flüchtlinge, Wali Nouri und Ataollah Samadani für ihre Übersetzungskünste, Dr. Alix Frank, Carola Trunner, Maria Rambousek und Beate für Tonnen von Bekleidung, Clemens Trunner für technischen Support und Einsatz auch noch kurz vor Mitternacht, wenn die Heizung mal wieder gesponnen hat, Andrea Neubauer für wertvollen und kostenlosen Deutschunterricht vor Ort, Otto und Lisa Quell für Input, Unterstützung und tatkräftige Hilfe beim Schulbesuch und Deutschkursen, Ulrike Kastan von der Volksschule Weikendorf und Hofrat Gerhard Antl als Schuldirektoren mit Herz und Verstand, Martina Koch, Chefin der Tafel in Strasshof und Maria Simlinger als Mastermind, ohne die wahrscheinlich nichts geklappt hätte. Dank auch an die Augenärztin Dr. Marioara Bacila, die als Wahlärztin die Familie kostenlos untersucht hat.
Chapeau - und dies stellvertretend an alle, die in diesem Land Charakter gezeigt haben!
Im Rückblick lässt sich zur Flüchtlingskrise sagen: Zum Glück hat eine reife und funktionierende österreichische Zivilgesellschaft die Aufgaben der Politik übernommen und eine Katastrophe verhindert. Ob die eigentlich zuständigen Instanzen, die wir dafür bezahlen, dass sie Unbill von uns fernhalten, daraus lernen werden, lässt sich bezweifeln - das lehrt uns die Geschichte. Aber man soll die Hoffnung ja nie aufgeben…
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