Ehrung der Preisträger in der Kategorie „Bauen und Mobilität“ – v.l.n.r.: Elmar Fürst (Vorsitzender der Hilfsgemeinschaft), Julian Jäger und Oliver Nettel (Flughafen Wien), Irene Vogel (Geschäftsführerin der Hilfsgemeinschaft).
Anlässlich ihres 80-Jahre-Jubiläums setzt die Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs als älteste und mit rund 4.300 Mitgliedern auch größte Sehbehinderten-Selbsthilfeorganisation des Landes auf umfassende visuelle Barrierefreiheit. Im Rahmen eines Festakts unter dem Ehrenschutz von Bundespräsident Heinz Fischer wurde zu diesem Zweck erstmals der „Beryll“ verliehen – ein Award für Unternehmen und Projekte, die barrierefreie Lösungen für Menschen mit Sehbehinderung schaffen.
„Ein neues Projekt zum 80er – so bleibt man jung“, schmunzelt Elmar Fürst, Vorsitzender der größten Sehbehinderten-Selbsthilfeorganisation des Landes im Rahmen der 80-Jahre-Feierlichkeiten in Wien. In der Tat sieht man in der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs im 80. Jahr ihres Bestehens vieles glasklar: Die Organisation vertritt die Interessen von rund 318.000 stark sehbeeinträchtigten Menschen in ganz Österreich, damit diese selbstständig und unabhängig ihren Alltag leben können. „Zu unserem Engagement gehört nicht nur die direkte Unterstützung sehbehinderter und blinder Personen, sondern auch das Eintreten für eine barrierefreie Umwelt und die Begleitung fortschrittlicher Projekte in diesem Bereich. Deshalb haben wir den 80er als Anlass genommen, um einen Award ins Leben zu rufen. ‚Beryll‘ heißt die neue Auszeichnung für Unternehmen und Projekte, die barrierefreie Lösungen für Menschen mit Sehbehinderung verwirklicht haben“, erklärt Fürst, der im Jubiläumsjahr 2015 den Vorstandsvorsitz der gemeinnützigen Organisation übernommen hat.
Der Name „Beryll“
„Der Name ‚Beryll‘ hat eine besondere Bedeutung: Das lateinische Wort Beryllus wurde im Mittelalter für klare Kristalle gebraucht. Daraus entstand das Wort für Brille – denn die ersten Linsen waren aus Kristall geschliffen. Der Beryll bündelt – ganz wie eine optische Linse – Aufmerksamkeit und beleuchtet so besondere Leistungen“, ergänzt Geschäftsführerin Irene Vogel. „Der Beryll ist unser Ansporn für die Gesellschaft, sich am Thema visuelle Barrierefreiheit zu beteiligen und soll gleichzeitig eine Anerkennung für in diesem Feld Geleistetes sein.“ Der Award wurde von der niederösterreichischen Künstlerin Regine Haunschmidt, Azur – Kunst&Technik, eigens entworfen.
Die Sieger
- Kategorie „Bauen und Mobilität“
Sieger: Flughafen Wien AG
Projektbeschreibung: Barrierefreie Gestaltung des Flughafen Wien. Seit drei Jahren gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen Flughafen Wien und Vertretern von Behindertenorganisationen. Über 150 Einzelmaßnahmen wurden definiert, die in den Bereichen Lifte, Treppen, Toiletten, Ausstattung oder Leitsystem für Barrierefreiheit sorgen.
Begründung der Jury: Der Flughafen Wien lässt erkennen, dass er die Anliegen von blinden und sehbehinderten Menschen ernst nimmt und bereit ist, in Barrierefreiheit zu investieren. Die Zusammenarbeit mit den Arbeitsgruppen ist intensiv und das Bemühen um Lösungen ernsthaft. Eine ganze Reihe von Maßnahmen wurde bereits umgesetzt. Für Menschen mit Sehbehinderung ist die Orientierung am Flughafen signifikant verbessert: Die Farbgebung wurde verändert, Schriften wurden vergrößert, das Leitsystem wurde komplett neu gestaltet, einzelne Piktogramme neu gestaltet und eine Farbcodierung für die jeweiligen Terminalbereiche eingeführt. Insgesamt wurden über 650 Hinweistafeln ausgetauscht. Besonders hervorzuheben ist die komplette Neuentwicklung von Informationsmonitoren. Weitere Maßnahmen sind in Planung und die Fortsetzung der engen Zusammenarbeit, auch bei neuen Bauvorhaben, wurde zugesagt.
„Barrierefreiheit ist uns ein zentrales Anliegen und wir schätzen die gute Zusammenarbeit mit den Hilfsorganisationen und Betroffenen sehr. Daher freuen wir uns sehr über diese positive Anerkennung unseres Engagements“, sagen die Vorstände der Flughafen Wien AG, Julian Jäger und Günther Ofner.
- Kategorie „Kommunikation und Information“
Sieger: Michael Kastelic, AUDIO2
Projektbeschreibung: Ausbau der Audiodeskription in den Bereichen Sport und Kultur
Begründung der Jury: Michael Kastelic hat mit seinem Unternehmen AUDIO2 wesentlich dazu beigetragen, das Angebot an Audiodeskription zu verbessern, sowohl in der Quantität als auch in der Qualität. Ganz besonders ist dabei das Projekt Theater4all hervorzuheben, das Michael Kastelic ins Leben gerufen hat. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, Theater für blinde Menschen und für Menschen mit Sehbehinderung barrierefrei möglich zu machen. Über Kopfhörer erhalten blinde und sehbehinderte Besucher alle wichtigen Informationen abseits der Bühnendialoge. So können blinde Theaterbegeisterte dem Geschehen auf der Bühne mühelos folgen. Der Audiokommentar trägt dazu bei, dass Menschen mit Sehbehinderung selbstständig und unabhängig an gesellschaftlichen Ereignissen teilhaben können.
Michael Kastelic, Geschäftsführer von AUDIO2 dazu: „Die Idee, auch Theater mit Audiodeskription über Radiosender anzubieten, kam bei einem Schirennen. Die Begeisterung der Besucherinnen und Besucher hat uns weiter motiviert. Ich möchte mich für das Engagement der Theater, für die Unterstützung der Stadt Wien und nicht zuletzt bei den AUDIO2 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken, die mit Herzblut bei diesem Projekt mitwirken.“
- Kategorie „Sehbehindertengerechte Dienstleistungen und Service“
Sieger: Vinzenz Gruppe mit den Angeboten im Vinzentinum (Schule für Gesundheits- und Krankenpflegeberufe am Krankenhaus Barmherzige Schwestern Wien) und dem Pflegehaus St. Louise in Maria Anzbach (Barmherzige Schwestern Pflege GmbH)
Projektbeschreibung: Schulungen für Mitarbeiter im Umgang mit Menschen mit Sehbehinderung, Aufnahme von Sensibilisierungstrainings in den Lehrplan für Pflegekräfte, Orientierungssystem im Pflegehaus St. Louise
Begründung der Jury: Die Vinzenz Gruppe hat sich als Unternehmensgruppe gleich in mehreren Bereichen für die Bedürfnisse von Menschen mit Sehbehinderungen engagiert. Die Vinzenz Gruppe hat beim Zubau des Pflegehauses St. Louise und in der Schule für Gesundheits- und Krankenpflegeberufe des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern in Wien (Vinzentinum) die Bedürfnisse sehbeeinträchtigter Menschen umfassend berücksichtigt. Im Pflegehaus St. Louise wurde anlässlich der baulichen Erweiterung mit Eröffnung Anfang des Jahres 2015 im gesamten Haus weitgehend auf bauliche Barrierefreiheit und kontrastreiche Gestaltung geachtet. Aufgrund der Schließung des Seniorenwohnhauses Harmonie, das bis Ende 2014 in Unterdambach (NÖ) von der Hilfsgemeinschaft betrieben wurde, stand man in engem Austausch, um den professionellen Umgang mit sehbehinderten, pflegebedürftigen Menschen weiter zu verbessern. In einer Art „Nachbarschaftshilfe“ wurden flexible Lösungen für ehemalige Bewohner des Hauses Harmonie geschaffen. Hier ist besonders die Heimleiterin, Gerlinde Göschelbauer, zu erwähnen, die sich mit großem persönlichen Einsatz darum bemüht hat, das Haus St. Louise speziell für Menschen mit Sehbehinderung zu gestalten.
„Es ist unser Prinzip und Selbstverständnis allen Menschen, die in unseren Pflegehäusern leben, ein echtes Zuhause-Gefühl zu geben! Dazu gehört auch eine gut wahrgenommene Orientierung – mit allen Sinnen!“, freut sich Jana Bockholdt, Geschäftsführerin der Barmherzige Schwestern Pflege GmbH.
In der Schule für Gesundheits- und Krankenpflegeberufe Vinzentinum wurden Sensibilisierungs- und Schulungskonzepte in Kooperation mit der Hilfsgemeinschaft umgesetzt. Besonders Claudia Zemann, eine der Lehrerinnen für Gesundheits- und Krankenpflege im Vinzentinum, hat sich persönlich dafür engagiert, dass diese Schulungsmaßnahmen keine einmalige Sache blieben, sondern in den Lehrplan aufgenommen wurden.
„Wir versuchen Menschen in allen unseren Einrichtungen in ihrer jeweiligen Einzigartigkeit wahrzunehmen. Wir freuen uns sehr, dass das Engagement des Vinzentinum mit dem Beryll-Award zusätzliche Wertschätzung findet“, bedankt sich Thomas Pavek, Geschäftsführer des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern Wien für die Auszeichnung.
Über die Hilfsgemeinschaft
Die Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs wurde 1935 von Jakob Wald noch unter dem Namen „Hilfsgemeinschaft der später Erblindeten Österreichs“ gegründet.
Die Arbeit der Selbsthilfeorganisation wird zu einem Gutteil durch private Spenden und das Engagement freiwilliger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermöglicht. Die Hilfsgemeinschaft ist seit 2001 Trägerin des Österreichischen Spendengütesiegels.
Infos über die umfassenden Beratungs- und Serviceleistungen der Hilfsgemeinschaft gibt es unter www.hilfsgemeinschaft.at.